«Es ist eine Bereicherung»
Inwiler Bäuerin erzählt von ihren Erfahrungen als agriPrakti-Ausbildnerin
Wegen Anmeldeverzögerungen aufgrund der Coronapandemie gibt es dieses Jahr so viele freie Plätze für AgriPraktikanten, wie schon lange nicht mehr. Judith Bucher gab der Luzerner Rundschau ein Interview zum agriPrakti-Alltag aus Sicht einer Ausbildnerin.
Frau Bucher, wie kamen Sie auf die Idee, agriPraktikanten bei Ihnen aufzunehmen?
In meinem gelernten Beruf, Floristin, habe ich schon immer Lernende begleitet. Das fand ich stets sehr spannend und bereichernd. Nach der Geburt meines dritten Kindes habe ich mich informiert, was es alles braucht, um Ausbildnerin eines agriPraktikanten zu sein. Mein Mann unterstützte mich im Vorhaben, einen Teenager in unsere Familie aufzunehmen. Ich meldete mich beim Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband an und habe bis jetzt Freude daran, jedes Jahr ein:e Jugendliche:r nach dem Schulabschluss zu begleiten. Es bereitet uns grosse Freude, den agriPrakti-Teilnehmern unser Hof- und Familienleben zu zeigen, sie in die Familie zu integrieren und teilweise auch mitzufiebern ob sie die Lehrstelle bekommen werden, wofür sie schnuppern waren.
Welche anderen schönen Erlebnisse haben Ihnen die agriPraktikanten beschert?
In unserem Alltag auf dem Hof gibt es immer wieder lustige Situationen, sei es mit den Kindern oder bei der Arbeit. Was auch immer amüsant ist, sind die verschiedenen Dialekte, hatten wir doch schon Praktikanten aus Obwalden, Schwyz und aus dem Luzerner Hinterland bei uns. Zum Teil melden sie sich auch nach einem oder mehreren Jahren bei uns oder kommen vorbei. Das freut uns jeweils sehr.
Wann kommen Sie an Ihre Grenzen?
Als ich frisch mit dem agriPrakti angefangen habe, war alles neu. Die Lehrerinnen und die Leiterin des agriPrakti hatten jedoch stets ein offenes Ohr oder Tipps wie ich das erste Jahr aufbauen konnte. Heute, nach sechs Praktikantinnen und vier Kindern weiss ich, wie es geht.
Welche Aufgaben übernehmen AgriPraktikanten bei Ihnen konkret?
Unsere Praktikanten erledigen jegliche anfallende Arbeiten auf dem Hof: Kleiderpflege, Kinderbetreuung, Mahlzeiten zubereiten sowie Gartenarbeiten. Bei uns können die Praktikanten bei den Legehennen oder bei den leichteren Feldarbeiten, wie zum Beispiel der Obsternte, mithelfen.
Welche Lektionen bringen den Jugendlichen am meisten für ihr weiteres Berufsleben oder auch privat?
Ich merke, dass es das Gesamtpaket agriPrakti ist. Sei es eigenständig die Zug- und Busverbindungen für den Weg zum Betrieb oder zur Schule zu bewältigen, den ganzen Tag auf den Beinen zu sein und mitzuarbeiten, Arbeiten selber zu planen und selbstständig zu verrichten sind sicherlich auch neue Herausforderung für die Jugendlichen. In der Schule wird am gelernten Schulstoff angeknüpft und weitergearbeitet. Im Fach «Allgemeinbildung» werden Mathematik und Deutsch behandelt. Im Fach «Lehrstellencoaching» wird ein spezielles Augenmerk auf die berufliche Zukunft nach dem agriPrakti gelegt. Der agriPrakti-Teilnehmer wird dabei bei der Lehrstellensuche begleitet. Ein Teil, der auch mich voll miteinbezieht, ist der Hauswirtschaftsbereich. Das Fach «Hauswirtschaft» wird in der Schule theoretisch bearbeitet und praktisch auf dem Betrieb angeschaut und vertieft. Für mich ist das agriPrakti eine Lebensschule, welche die Praktikanten auf verschiedene Situationen vorbereiten, die sie in ihrem Leben immer wieder antreffen werden.
Können auch Sie manchmal von den Jugendlichen lernen?
Ja natürlich. Mit jeder Praktikantin habe ich diverses dazugelernt, sei es persönlich oder auch bei der Arbeit. Meistens frage ich nach, wie sie es zuhause machen und da bekomme ich auch immer wieder neue Inputs. Erledigt doch jede Hausfrau die gleiche Arbeit unterschiedlich. Zwischendurch andere Lieblingsrezepte ausprobieren ist ebenfalls sehr spannend.
Für welche Jugendliche eignet sich dieses Zwischenjahr besonders?
Für alle Jugendlichen, die an einem Zwischenjahr in einem bäuerlichen Haushalt interessiert sind. Es können auch Jugendliche ohne landwirtschaftlichen Bezug das agriPrakti absolvieren. Ebenfalls sehr willkommen sind Jungs, die gerne im Haushalt mitarbeiten. Den Alltag in einer Bauernfamilie, mit der Natur und den Tieren zu erleben ist wohl einzigartig. Es gibt verschiedene agriPrakti-Betriebe mit verschiedenen Betriebszweigen, von Tierhaltung bis Direktverkauf ist alles dabei. Es gibt auch Betriebe ohne Kinder, falls dies einem mehr zusagt.
Lohnt sich das AgriPrakti finanziell für Sie?
Ja und Nein. Das jährliche Einarbeiten, bis die Praktikanten selbstständig arbeiten können, ist sehr zeitaufwendig. Aber wenn die strenge Anfangszeit vorüber ist, können die Früchte geerntet werden. Das agriPrakti ist vor allem für uns als Familie eine Bereicherung. Die Kinder schätzen es sehr, eine andere Ansprechperson für ihre kleinen Anliegen zu haben, wenn ich mal nicht abkömmlich bin.
Interview: Irene Müller